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19.06.2015 - Emmen

IT Reseller Fokus-Interview zum Thema Return & Repair mit Managing Director Services Urs von Ins

Urs von Ins erklärt im Interview die Rolle des Dienstleisters in der Rückwärtslogistik und skizziert, wie ein Reparaturprozess abläuft.

«Wir verstehen uns als Orchestrator» Urs von Ins, Managing Director Services bei ALSO Schweiz, erklärt im Interview die Rolle des Dienstleisters in der Rückwärtslogistik und skizziert, wie ein Reparaturprozess abläuft. von Alina Brack

Bislang wurde der ganze Aftersales Bereich rund um Retouren und Reparaturen sträflich vernachlässigt, weiss Urs von Ins, Managing Director Services bei Also Schweiz. Als reiner Kostenfaktor angesehen, wurde der sogenannten Rückwärtslogistik kaum Beachtung geschenkt. Wieso man sich das heute als Reseller nicht mehr leisten kann und wie ALSO als Logistikdienstleister mit Reparaturfällen umgeht, verrät er im Gespräch mit «Swiss IT Reseller».

Swiss IT Reseller: Wieso wurde der Rückwärtslogistik bislang so wenig Aufmerksamkeit geschenkt und warum ändert sich das nun?

Urs von Ins: Bislang wollte man Neuware verkaufen und hat von den Margen gelebt. Alles, was dabei jeweils an Ware zurückgekommen ist, hat die Marge gemindert, weil man Aufwand und Kosten hatte und niemandem etwas verrechnen konnte. Gerade im Onlinegeschäft gibt es viele Retouren. Wenn man da diesen Prozess der Rückwärtslogistik nicht im Griff hat, riskiert man den Erfolg des gesamten Geschäftsmodells. Solange man genug Ware absetzt und genug Marge hat, sind Retouren und Reparaturen ein Kostenblock, den man vernachlässigt. Wenn man auf die Kosten achten muss, werden diese gerade in der Rückwärtslogistik nicht weniger. Eine Retoure kostet im Aufwand noch immer gleichviel wie vor zehn Jahren, nur hatten wir vor zehn Jahren im Verkauf noch andere Margen als heute. Dadurch nimmt die Bedeutung dieses Kostenblocks zu. Zudem handelt es sich bei der Rückwärtslogistik um ein sehr komplexes Geschäft, sie ist anspruchsvoller als die Vorwärtslogistik beim Verkauf von Ware.

Inwiefern ist die Rückwärts- komplexer als die Vorwärtslogistik?

Ein Beispiel: Wir distribuieren als Logistikdienstleister in der ganzen Schweiz die neuen iPhone-Modelle. Dabei handelt es sich jeweils um enorme Volumen, aber jedes Produkt ist genau gleich, hat eine EAN-Auszeichnung und eine IMEI-Nummer. Hier ist die Logistik folglich sehr homogen. Bei der Rückwärtslogistik ist hingegen jede Retoure unterschiedlich. Kommt das Produkt zurück, weil der Endkunde in den Ferien war und das Paket nicht abholen konnte? Oder kommt es zurück, weil der Endkunde vom Kauf zurücktreten will oder weil das Produkt defekt ist? Oder will der Kunde das Produkt austauschen, weil es zum Beispiel die falsche Farbe hat? Tausend Retouren haben tausend unterschiedliche Gründe. Und alle diese Situationen führen dann zu unterschiedlichen Prozessen bei der Bearbeitung, bis hin zur Entsorgung, wenn es sich nicht mehr lohnt, das Produkt zu reparieren.

Wer entscheidet, ob es sich noch lohnt, ein Gerät zu reparieren?

Unsere Kunden entscheiden, ob ein Produkt repariert wird oder nicht und ab welcher Wertgrenze welcher Prozess abgewickelt werden soll. Wir machen jeweils lediglich Vorschläge oder geben Empfehlungen darüber ab, was in unseren Augen Sinn machen würde – dies immer aus Kosten-Nutzen-Sicht. Unser Ziel ist es, dass wir 90 Prozent der Fälle mit standardisierten Anweisungen unserer Kunden selbst bearbeiten können. Und für den Rest haben wir ein eigenes Workflow-Tool, bei welchem wir unsere Kunden im Prozess jeweils fragen, wie wir weiter vorgehen sollen – also etwa, ob es sich um einen Kulanzfall handelt oder nicht.

Welche Rolle spielt ALSO als Dienstleister bei der Reparaturabwicklung sonst noch?

Wir verstehen uns als Orchestrator dieser ganzen Rückwärtslogistik, bei welcher es unserer Ansicht nach drei Kernkompetenzen braucht, damit man sie erfolgreich managen kann. Die erste Kompetenz ist klassisch die Reparatur. Ich muss reparieren können, aber auch dürfen. Dazu brauche ich die Autorisierung der Hersteller und muss entsprechend geschult werden. Für die Reparatur haben wir unseren Partner Bachmann, an dem wir seit Anfang 2014 beteiligt sind und welcher für uns den Einstieg in das Reparaturgeschäft bedeutete. Bachmann mit seinen rund 100 Reparatur-Mitarbeitern hierzulande bearbeitet grosse Marken wie Apple, Samsung oder Sony und ist also vor allem im Telco-Bereich tätig. Zudem hat Bachmann von John Lay Electronics das gesamte Panasonic-Sortiment übernommen. Die zweite Kompetenz ist der Ankauf von Altgeräten, wo wir mit unserem Partner Recommerce zusammenarbeiten. Diesen Rückkauf bieten wir neu an, weil es im Interesse der Hersteller ist. Es ist wie im Autohandel: Wenn man ein neues Auto kauft, fragt man, wie viel man für das alte Auto als Anzahlung noch bekommt. Bei den Smartphones ist es heute dagegen meist noch so, dass das alte Gerät in der Schublade landet oder einem Familienmitglied oder Freund weitergegeben wird. Wir – also unsere Kunden aus dem Retail – bieten nun den Smartphone-Rückkauf an, wenn der Endkunde ein neues Gerät kauft. Also unterstützt im Hintergrund diesen Ankaufsprozess.

Und was macht ALSO mit den Altgeräten?

Wir bringen die Geräte auf unseren Logistikhub und löschen die Daten fachgerecht. Unser Partner Recommerce ist darauf spezialisiert, die Smartphones vor allem in ausländische Märkte zu verkaufen.

Welches ist die dritte Kompetenz, die es für die Rückwärtslogistik braucht?

Die dritte Kernkompetenz ist die Steuerung der Informationsflüsse sowie die Logistik. Das ist unsere Rolle in diesem ganzen Prozess. Wir managen als Dienstleister für Retailer und Telcos wie Media Markt, Post, Salt oder Sunrise die gesamte Rückwärtslogistik. Wir kümmern uns also um alle bei der Schweizerischen Post verkauften Produkte, auch wenn wir von einem dort verfügbaren Hersteller keine Reparatur-Autorisierung haben. Dann greifen wir einfach auf autorisierte Reparaturcenter zurück. Der Kunde soll davon aber nichts merken und bekommt alles aus einer Hand. Wir haben uns an Bachmann zwar beteiligt, arbeiten aber natürlich mit allen Reparaturcentern zusammen. Denn nicht für jede Marke hat Bachmann die Autorisierung für eine Reparatur.

Wie läuft ein klassischer Reparaturfall ab?

Der Endkunde wendet sich an den Retailer, bei welchem er das Gerät gekauft hat. Dort am Point of Sale (POS) wird das Gerät mit dem Webtool von Also erfasst, die Seriennummer wird gescannt und der Auftrag wird erfasst. Zudem wird abgeklärt, ob das Gerät repariert werden soll oder ob der Endkunde direkt ein neues Gerät kaufen will. Aktuell arbeiten wir an einem Tool, mit Hilfe dessen der Verkäufer etwa abschätzen kann, wie viel die Reparatur etwa kosten wird, damit der Endkunde besser entscheiden kann. Künftig soll der Verkäufer eine ungefähre Preisangabe für die Reparatur sowie einen Betrag für den Ankauf des Geräts erhalten, um dem Endkunden so viele Informationen wie möglich zu liefern.

Wie geht der beschriebene Reparaturprozess danach weiter?

Nach der Registrierung des Reparaturfalls am POS kommt das entsprechende Gerät per Paket zu ALSO. Hier wird das Gerät erneut gescannt. Wenn es zum Beispiel ein Samsung Smartphone ist, dann machen wir bereits den ersten Reparaturprozess und schalten eine neue Software auf. In über 30 Prozent der Fälle funktionieren die Smartphones nach dem Software-Update wieder. Wenn dieser First-Level-Repair-Dienst klappt, geht das Handy zurück an den Endkunden, wahlweise per Paket direkt an ihn oder an den POS, wo er das Gerät dann abholen kann. Wenn das Software-Update nicht reicht, wird der Auftrag hier vorerfasst für das Reparaturcenter. In der Nacht fährt dann ein LKW-Shuttle die verschiedenen Reparaturcenter an und transportiert die defekten Geräte dorthin. Wenn das Produkt repariert ist, kommt es wieder mit dem Nachttransport zurück zu uns und von hier wieder an den POS oder zum Endkunden nach Hause.

Wie lange dauert ein Reparaturprozess durchschnittlich?

Das hängt von den Geräten ab. Smartphones sind maximal zwei Tage in einem Reparaturcenter. Der ganze Durchlaufprozess vom Laden bis das Gerät wieder beim Endkunden ist, dauert hingegen etwa fünf bis zehn Tage.

Und was passiert, wenn es sich nicht um einen Standard-Reparaturprozess handelt?

Dann gibt es, gerade wenn die Garantie bereits abgelaufen ist, einen Kostenvoranschlag. Das gesamte Kostenvoranschlag Management läuft auch über unser Webtool. Das Reparaturzentrum macht eine Fehleranalyse und ALSO wickelt das Kostenvoranschlags Management dann direkt mit dem Endkunden ab, aber im Namen des Retailers. Wenn der Endkunde eine Entscheidung getroffen hat, teilen wir diese dem Reparaturcenter via Tool mit.

Wie verdient ALSO mit diesem Reparatur Management Geld?

Im Garantiefall bezahlt der Hersteller selbst den Grossteil der Reparatur. Zusatzleistungen wie etwa der Transport vom Retailer zum Reparaturcenter sowie eine Gebühr für die Verwendung unseres Tools, sind Leistungen, die wir verrechnen und zwar dem Retailer oder Hersteller. Dieser wiederum kann diese Leistung dann dem Endkunden weiterverrechnen. Wir werden Aufwand-basiert bezahlt, unabhängig vom Produktewert. Wenn die Garantie bereits abgelaufen ist, dann wird der Endkunde mehr in die Pflicht genommen, den Service zu bezahlen. Aber auch in diesem Fall stellen wir als ALSO die Rechnung an den Retailer und er verrechnet den entsprechenden Vertrag dann dem Endkunden weiter.

Als Reparatur-Dienstleister ist ALSO primär im Telco-Bereich für Retailer tätig. Wieso nicht in der klassischen IT zusammen mit Resellern?

Wir sehen uns als Dienstleister für alle Segmente, sprich IT, Telekom, CE. Den Anfang gemacht haben wir nun im Telco-Bereich. In der IT gibt es zudem schon sehr viele Anbieter und Reparaturcenter und das Ganze ist auch viel heterogener in Bezug auf Geräte. Wenn wir in unserem Distributionsgeschäft für einen Reseller grosse Rollouts von Neugeräten haben, dann nehmen wir die alten Geräte natürlich zurück. Aber da reden wir von einer gewissen Minimalmenge. Ansonsten lohnen sich hier Aufwand und Ertrag nicht. Retailer hingegen haben im Return und Repair-Prozess eine gewisse Regelmässigkeit, dort kommt täglich Ware zurück. Wir können also gewisse Prozesse aufsetzen, die sich immer wieder wiederholen.

Welche Pläne hat ALSO im Bereich der Rückwärtslogistik?

Ich bin überzeugt, dass der Ankauf von Altgeräten eine riesige Sache sein wird, ebenso wie die Integration der verschiedenen Prozesse. Unser Ziel ist es, dass man am POS viel mehr Cross-Selling betreiben kann und so aus einem Reparaturfall – also eigentlich einem Problemfall – ein Geschäft machen kann.